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Annja Krautgasser de


Situationsbericht


Wandtexten, 4 x 2 m, 2008
Teil der Videoinstallation It's All About Art

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© Ausstellungsansicht: Recent Changes – Änderungen vorbehalten: Situationsbericht,
PHASE 2, Galerie 5020: Situationsbericht, 2008.


Zu Annja Krautgassers „Seitenwechsel“


von Hildegard Fraueneder

Auswählen, ordnen, präsentieren – Bedeutung produzieren: Die Ausstellung als Dispositiv im Sinne eines heterogenen Ensembles von Gezeigtem und Nichtgezeigtem, Gesagtem und Ungesagtem, ist in letzter Zeit immer wieder thematisiert worden, und dieser Diskurs hat vielerlei Spuren sowohl in den theoretischen als auch in den künstlerischen Feldern hinterlassen. Offensichtlich war dieser Fokus besser als andere dazu geeignet, beide Felder als zusammengehörig und in einem wechselseitigen Austausch zu begreifen. Der Entwurf von Recent Changes – Änderungen vorbehalten, einer dreiteiligen Ausstellungsfolge, an der insgesamt zehn KünstlerInnen teilnahmen, folgte einem künstlerischen Interesse der beiden Kuratoren ebenso, wie auch das Medium Ausstellung in Bezug auf kuratorische und institutionelle Verantwortung thematisiert werden sollte: „Arbeiten setzen, gesetzte – vorgesetzte Kunst ...; dann Teile löschen, Teile erhalten ...; dann reagieren mit neuen, anderen Arbeiten, Kontextverschiebungen ...; wieder teilweise löschen ...; dann nochmals reagieren, Kontexterneuerung ... 3 Folien, Schichtungen, zunehmende Verdichtung, Überlagerungen, Verschiebungen, Ineinanderfließen, Verknüpfungen, Transparenzen, Eingriffe, Infragestellungen, Kommentierungen, Bild/Theoriediskurs, Autorschaft – Kuratorenschaft, Aktion – Reaktion – Interaktion ...“ (Peter Haas und Bernhard Gwiggner, Kuratoren der Ausstellung). Annja Krautgasser war der zweiten Phase zugeteilt, insofern hatte sie sowohl auf ein Hinterlassenes zu reagieren als auch auf ein Hinterlassen ihrerseits zu achten.
Von allen eingeladenen KünstlerInnen stellte sie das Ausstellen an sich am dezidiertesten zur Diskussion und verhandelte dieses Display, wie es von den beiden Kuratoren als dialogisches Modell vorgegeben bzw. angeregt worden war. Ein Display von Bedeutung gebenden Elementen ebenso wie von Atmosphären erzeugenden Inszenierungen, das sie einer kritischen Lektüre unterzog. Sie holte von vier im aktuellen Ausstellungsbetrieb namhaften KuratorInnen und KritikerInnen Texte ein, die sie, vergleichbar einer Bilderpräsentation, auf die Ausstellungswand rubbelte, weiters installierte sie einen Blog, in den sie Texte zum Medium Ausstellung stellte, und vergleichsweise ephemer projizierte sie in Form einer Werkschau eigene Videoarbeiten auf ein umgekehrt an der Wand lehnendes Leinwandbild aus der ersten Phase. Damit stellte sie die grundlegenden Setzungen einer institutionellen Ausstellungspraxis auf den Prüfstand, indem sie im permanenten Wechseln der Seiten, vom Ausgestelltwerden zum Ausstellen, vom Eingeladensein zur Einladenden usf., diese Grenze und die damit verbundenen Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse sichtbar und spürbar machte. Entgegen dem auf den ersten Blick offenen und bezogen auf die Kunstproduktion ermöglichenden Gestus des Ausstellungskonzeptes reagiert Annja Krautgasser mit einer Dynamisierung der künstlerischen und kuratorischen Kompetenzen, mit der sie ein wesentliches Moment verweigert: dass nämlich die Institution, die Kuratoren oder die AutorInnen der Wandtexte über die Bedeutung ihrer künstlerischen Arbeiten bestimmen können – denn alle werden wir involviert, angeeignet, ge- und verwendet, ohne es vielleicht zu bemerken ...
Was war, was bleibt? Interventionen – und solche forderte das Ausstellungskonzept – sind daran geknüpft, dass sie genauso wenig vorhersehbar sind, wie sie auf Konsens zielen. Im besten Falle eröffnen sie neue Denk- oder Handlungsräume, die hier im Konkreten auf eingeschliffene Mechanismen der Ausstellungspraxis zielten: Indem Annja Krautgasser einerseits ihre eigenen künstlerischen Arbeiten dezidiert als Vorführung (siehe die oben erwähnte Projektion im Format einer Werkschau) in die Ausstellung eingebracht hat und andererseits in der Aneignung der institutionellen Rollen und auch der Beiträge der von ihr Eingeladenen diese ebenso „vorgeführt“ hat, insistierte sie auf einer Praxis der Unterbrechung und auch der Umkehrung, stellte diese aber lediglich als Denkund Handlungsfigur in den Raum: zum Aufgreifen, Weiterdenken, Verdichten, Löschen ...


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Situationsbericht #1

– Walter Seidl

Situationsbericht #2

– Ursula Maria Probst

Situationsbericht #3

– MidiHy Production

Situationsbericht #4

– Rita Vitorelli



Situationsbericht #1


Walter Seidl

Zur Interferenz von kuratorischer und künstlerischer Produktion



Die Definition künstlerischer Strategien versucht in ihrer Präsenz individuelle Zugänge zur Reflexion gesellschaftlicher Vorgänge sichtbar zu machen. Kuratorische Eingriffe in die künstlerische Praxis spiegeln das Interesse an spezifischen kunstimmanenten Ansätzen wider, die einem thematischen Überbau folgen. Eine Synchronisation dieser Ebenen bildet die gängige Methodik ausstellungstechnischer Produktionen. Der konzeptuelle Remix beider Vorgangsweisen kenn-zeichnet viele Großereignisse, die seit den 1990er Jahren im Zunehmen begriffen sind und in weltumspannenden Biennalen ihren Widerhall finden. Die Problematik dieser ubiquitären Ausstellungsanordnungen zeugt jedoch nicht automatisch von einem Erfolg all dieser Unterfangen.
Als kunsthistorisches Leitbild einer museumsunabhängigen, aber doch ortsgebundenen kuratorischen Zugangsweise gilt Harald Szeemann, der sich von Anfang an nicht als Museumskurator verstand und bereits 1969 bei der Kunsthalle Bern kündigte, um als freier Kurator die „Agentur für geistige Gastarbeit“ zu gründen. Szeemanns weltweit kuratierte Ausstellungen der letzten Jahrzehnte sprechen für den Erfolg seines Arbeits- und Denkmodells, das jedoch die Beziehung zwischen KünstlerIn und KuratorIn nicht immer reibungsfrei gestaltet. Søren Grammel etwa kommentiert diese Problematik in seiner Publikation zur Ausstellungsautorschaft bei Szeemann: „Die Kollaboration zwischen Kurator und Künstler treibt den Autonomieverlust des Künstlers voran, indem sie den direkten Zugriff des Kurators auf das Werk bereits während der Produktionsphase impliziert.“1
In der Ausstellung Recent Changes – Änderungen vorbehalten der Galerie 5020 werden KünstlerInnen angehalten, jeweils auf die Werke ihrer VorgängerInnen zu reagieren, um so in drei Abschnitten das Display der Ausstellung zu verändern und einen gemeinsamen Flow im Werkcharakter zu generieren. Diese Methode ist jedoch immer von einer thematischen und medialen Praxis abhängig und durchaus nicht unkontroversiell. Annja Krautgasser versucht sich diesem Unterfangen in interventionistischer Weise zu nähern, indem sie ein Bild von Stefan Heizinger verkehrt an die Wand lehnt und dessen Rückseite als Projektionsfläche für ihre Videos verwendet. Dadurch verweist sie auf die komplexe thematische Verquickung ihrer Arbeit mit dem vorangehenden Display aus Wandzeichnung, Malerei und Installation. Krautgasser balanciert hier zwischen einer Unterstützung der auktorialen kuratoriellen Position und dem Versuch, ihren autonomen Standpunkt als Künstlerin zu sichern.

1 Søren Grammel: Ausstellungsautorschaft. Die Konstruktion der auktorialen Position des Kurators bei Harald Szeemann. Eine Mikroanalyse, Frankfurt am Main 2005, S. 31.


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Situationsbericht #2


Ursula Maria Probst

Appropriation heute?



Ausstellungspraxen, deren offene Strukturen auf Konfrontationskurs gehen, machen sichtbar, dass der Transfer von Kompetenzen zwischen KünstlerInnen und KuratorInnen zwar Konfliktpotenzial beinhaltet, doch gleichzeitig produktiv wirkt. Die Installation der Künstlerin Annja Krautgasser im Drei-Phasen-Projekt Recent Changes – Änderungen vorbehalten bezieht mögliche Rezeptionsformen in der Auseinandersetzung mit dem Aufbrechen von neuen Appropriationsverfahren ebenso mit ein wie interventionistische Strategien und Praktiken der Aneignung im Umgang mit institutionalisierten Beziehungsgeflechten und künstlerischer Kollegenschaft. Ein Zustand der Multiplikation des Kuratorensubjekts? Während der Kunsttheoretiker Hal Foster dem Kurator stets künstlerische Strategien ans Herz legte, ist es hier die Künstlerin, die über Inhalte hinausgehend Informationsparameter erstellt und mit dem diskursiven Output zum Thema Aneignung, Ausstellungsmechanismen und -konzeption andere Kuratoren, Kunstkritiker und Künstlerinnen beauftragt, deren Statements wiederum in die Installation einbezogen werden. Hier geht es nicht um: A repräsentiert B am Ort C, hier werden strukturelle Fragen der Ausstellungspraxis aufgeworfen. Durch den Eingriff in das Display, das aus Phase eins resultiert, gewinnt das Display eine doppelte Funktion, indem es zum Informationsträger und zum ästhetischen Dispositiv wird.
Was taugen die Strategien der Appropriation Art heute? Aneignung funktioniert heute nicht mehr als Ersatzwort für Subversion, und aneignende Strategien sind nicht zwangsläufig kritisch; in unserer Medienkultur wird das Prinzip Aneignung durch jenes der Piraterie ergänzt. Dieses prekäre Moment der Aneignung thematisiert Annja Krautgasser. Ein gemaltes Bild wird umgedreht, die Rückseite zur Benutzeroberfläche von Annja Krautgassers Videoprojektion. Durch diese Aneignung einer anderen gemalten künstlerischen Entität gelangt die Frage nach den technik-, medien- und gesellschaftsbedingten veränderbaren Verhältnissen von Bildern, die Beziehung zwischen Bild und Rezipient zur Diskussion. Was als Kunstgriff einer Negation wirkt, entpuppt sich als komplexer medialer Übersetzungs- und Übertragungsvorgang. Aus der Frage der Aneignung wird gleichzeitig eine Frage nach der Unterscheidung von Original und Reproduktion, von Differenz und Wiederholung, Verschiebung, Weiterleitung und Übergängen. Praktiken der Aneignung reichen vom Samplen bis zum Remixen, infiltrieren Taktiken des Zitierens oder des Fakes. Appropriationen spielen mit und stoßen an die Grenzen des künstlerischen Eigentums und der Autorenschaft, aber auch des Marktwertes. Die Dialektik von An- und Enteignung unter Berücksichtigung von Produktions- und Reproduktionsprozessen provoziert eine neue Aneignungspraktik. Ob gewollt oder ungewollt, das Aneignen von Dingen, Ressourcen, Kompetenzen ist insofern stets auch ein Statement zu gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen und erhält seine lohnende Dynamik aus dem Umarbeiten hinfälliger Normen.


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Situationsbericht #3


MidiHy Production

Lieber X,
ich bin nie hundertprozentig überzeugt von einer Ausstellung; ich finde es schon gut, dass zwei Künstler dabei sind, die mir gefallen. Was kann ich sagen? Mich reizen weniger Gruppenausstellungen als gute Einzelausstellungen. Schreib mir doch ein paar Zeilen, warum es gut für mich und meine Karriere ist, dass ich teilnehme. Ich würde dir dann diese Woche Bescheid geben.
Liebe Grüße
Y

Lieber Y,
nun, wenn es vor allem um Karriere geht, bin ich wahrscheinlich der falsche Kurator; immerhin „schafften“ es letztes Jahr Künstler von Graz aus in die Manifesta, aber im Allgemeinen versuche ich, diese Mechanismen nicht überhandnehmen zu lassen, weil sich sonst die Projekte in Strategien und Oberflächen verlaufen ...
Ich finde, dass die Fragestellung der Ausstellung im Hinblick auf den Entwurf von Handlungsoptionen, im Hinblick auf die Reproduktion von Stereotypen, ganz allgemein im Hinblick auf Verführungsmomente innerhalb alltäglicher Orientierungsversuche viel mit deiner Arbeit zu tun hat; allerdings geht es mir um keine Bebilderung von Fragestellungen, sondern um Spannungsmomente zwischen der Fragestellung, die die Ausstellung vorzugeben versucht, und den tatsächlichen Arbeiten ...
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich dir nicht mehr sagen, für mich
entwickeln sich die Projekte im Laufe der Vorbereitung (manchmal zu etwas doch durchaus anderem als intendiert, was ich aber auch gut finde ...) – hoffe, das klingt nicht allzu sehr nach Leerformeln, aber dennoch würde ich auf einem bestimmten Moment des Kuratierens insistieren, das sich von der unumschränkten Autorenschaft desjenigen, der die Ausstellung erdenkt und realisiert, abhebt und Raum für die Arbeiten schafft, auch ein wenig gegen die Hegemonie des Kurators gelesen zu werden ... insofern geht auch die Auswahl der TeilnehmerInnen darauf zurück, in der Kombination auch Überraschendes in der Ausstellung zu zeigen – das Moment der Kontrolle erscheint mir zentral bzw. die Frage, inwiefern sich Kuratieren auch dieser Grenze der Kontrolle stellt ...
nun also bin ich gespannt, ob dich das interessieren würde ...
Liebe Grüße
X


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Situationsbericht #4


Rita Vitorelli

Homer

: Ich hab doch diesen schrottigen Eiswagen gekauft. (Homer hält Bart und Lisa die Augen zu und führt sie zum Wagen.)

Lisa

: Wie könnten wir das vergessen? Mum sagt, deswegen können wir uns den Kieferorthopäden nicht mehr leisten.

Homer

: Jetzt wird euch der Kiefer vor Staunen gleich runterfallen!

Bart und Lisa

: Aaahhhh ... (Get Ur Freak On von Missy Elliott)

Bart und Lisa

: Wooooow. Wahnsinn!!!

Bart

: Otto, du hast da ja das volle Pimp-Mobil draus gemacht.

Homer

: Er hat sich nur an meine Vorlage gehalten (zeigt eine Zeich-
nung eines Rechtecks mit zwei Kreisen als Räder) ... und jetzt werde 
ich mich auf höchst ungewöhnliche Weise einkleiden lassen ...

Marge

: Ich würde so gerne irgendetwas tun, weswegen man sich an mich erinnert. Etwas, das aussagt, Marge war hier, wenn ich mal nicht mehr bin. (Setzt sich zu Maggie an den Küchentisch, auf dem ein Berg Eisstiele liegt.) Die Geschichte meines Lebens: Alle bekommen das Eis, und ich bekomm nur die Stiele.
(Holt aus dem Berg Stiele einen kleinen „Baum“ aus Eisstielen heraus und hat plötzlich die Idee ... Ein Stiel auf den anderen, baut sie ein Porträt von Maggie, die mit ihrem Schnuller im Mund ihrer Mutter voller Staunen zusieht.)

Marge

(zu Maggie): Ich hab dir ein Ebenbild gebaut, aus klebrigen orangen Holzstückchen. (Maggie kreischt begeistert.)

Homer

(kommt in die Küche, sieht die Skulptur und ist auch begeistert): Naive Kunst!! Das ist ja die einzige Kunst, die ich verstehe!

Marge

: Das hab ich selbst gemacht!

Homer

(küsst Marge): Marge, du bist ein Genie. Du solltest noch ganz viele Skulpturen machen, von Lenny, von Carl oder dem neuen James Bond. Wird Amerika einen britischen James Bond akzeptieren? Ich bin schon sehr gespannt. ...
(Homer bringt Marge immer mehr Eisstiele, die bei seinem mittlerweile gutgehenden Geschäft mit dem Eiswagen als Müll anfallen. Zwei Wochen später. Im Vorgarten der Simpsons stehen Eisstiel-Skulpturen der ganzen Familie, von Freunden und den Nachbarn.) ...

Journalist

(im Hubschrauber): Sehe ich da unten eine telegene Hausfrau, die Kunstobjekte aus Eisstielen macht? Los, bringt den Vogel runter. Ich wittere leichte Nachrichten.

Journalist

(im Garten zwischen den Skulpturen): Ich stehe hier mit der Bildhauerin Marge Simpson, die etwas verarbeitet, was andere Leute nach dem Eisessen wegwerfen. Ich habe zwei Fragen an sie: „Wieso?“ und „Warum?“

Marge

: Wieso haben die Höhlenmenschen Wandzeichnungen gemacht? Warum ritzt man seinen Namen in Tupperware? Nur damit nach deinem Tod etwas überbleibt, das sagt: ICH WAR HIER. Ich bin wichtig. Das ist meine Tupperware. ...

(Die Eröffnung von Marges Ausstellung People from the Sticks. Wir sehen die Skulptur von Krusty, dem Clown. Krusty sieht sein Ebenbild und sein Namensschild.)

Krusty

(erbost): Hey, Lady, mich zu verwenden kostet was, das ist ein eingetragenes Warenzeichen. (Marge nimmt das Schild, dreht es um und schreibt „TV-Clown“ drauf.)


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Ausstellungen: • Recent Changes – Änderungen vorbehalten, Galerie5020, Salzburg, A 2009

Wvnr: 08-006